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Reise in die Zukunft – DDV-Dialogtour Asien 2020

Reise in die Zukunft

Im Vorfeld zu unserer Reise nach China, gab es eine große Ungewissheit wegen der Unruhen in Hongkong. Deshalb wurde ein Großteil der Reise auf Festland-China verlegt – nach Shenzhen und Guangzhou – und nur der Reise-Abschluss fand in Hongkong statt. Die vom Deutschen Dialogmarketing Verband (DDV) veranstaltete Dialog-Tour zu zahlreichen Innovations-Hotspots in der südchinesischen „Greater Bay Area“ fand über fünf Tage vom 13.-17.1.2020 statt – und damit vor dem Ausbruch von COVID-19!

Shenzhen

Shenzhen liegt am Perlflussdelta und war bis vor 30 Jahren ein verschlafenes Fischerdorf. Ein Bericht der Vereinten Nationen nennt Shenzhen im Zeitraum von 1980 bis 2010 als die am schnellsten wachsende Stadt in der Geschichte der Menschheit. Heute wohnen über 14 Mio. Einwohner in der Stadt. Shenzhen weist die größte Messe der Welt aus und hat 217 Wolkenkratzer und über 20 weitere befinden sich derzeit im Bau (im Vergleich dazu: Frankfurt hat aktuell 15 Wolkenkratzer).

Wer das quirlige chaotische Leben einer asiatischen Großstadt wie Bangkok oder Shanghai erwartet, wird bitter enttäuscht. Zwischen den glänzenden Bürofassaden und den schmucken Wohnhochhäusern befinden sich großzügige und sehr gepflegte Grünanlagen. Der Verkehr ist sehr ruhig, was vor allem an den guten Straßen liegt, aber insbesondere auch daran, dass alle öffentlichen Busse und Taxis Elektro-Autos des größten Elektro-Auto-Herstellers sind. Und nein: es ist nicht Tesla, sondern die Firma BYD (dies steht passenderweise für Build Your Dreams). Neben diesen leise gleitenden Fahrzeugen sind reihenweise Teslas und weitere Elektro- und Hybrid-Autos chinesischer Hersteller auf den Straßen unterwegs, sodass der Motorenlärm der deutschen Premium-Hersteller nicht ins Gewicht fällt.

Die Reisegruppe des DDV bei tencent

Die Reisegruppe des DDV bei tencent

1. Tag: Tencent – SVV – Viral Access

Besuch bei tencent

Die Reise begann nach dem sonntäglichen Welcome Dinner am Montag, den 13.1. mit dem Besuch bei tencent, dem Mutterkonzern von WeChat und QQ. QQ ist das soziale Netzwerk der chinesischen Teenager; WeChat ist DIE Chinesische Social-Media-Plattform. Neben der Vernetzung ist WeChat aber auch Bezahldienst, Messenger und Versandhändler und bietet so die Kombination vergleichbar zu Facebook, WhatsApp, ApplePay und amazon. WeChat hat eine maximale Marktdurchdringung in China, denn: „Jeder ist bei WeChat“. Durch das „Jeder ist bei WeChat“ endeten die meisten Meetings mit den chinesischen Partnern, die wir besucht haben, mit dem Satz „Let’s connect on WeChat“.

Neben diesen beiden Produkten hat sich tencent auf Gaming spezialisiert. Unsere Reisegruppe hatte die Möglichkeit, den beeindruckenden neuen Firmensitz von tencent zu besuchen und an einer multimedialen Tour durch die bestehenden und in Entwicklung befindlichen Produkte teilzunehmen.

vollautomatisches Restaurant AsienNach diesem ersten Eindruck der aktuell wichtigsten digitalen Plattform in China hatten wir die Gelegenheit, ein vollautomatisches Restaurant in der Nähe zu besuchen. Die Bezahlung erfolgt – wie immer in China– per Smartphone, ebenso die Speisen und Getränkeauswahl. Die Speisen werden sekundengenau von vollautomatisierten „Robotern“ und Maschinen erstellt. Nach Verzehr des Essens werden die Essplätze vollautomatisch gereinigt.

Shenzhen Valley VenturesDiesem kulinarischen Highlight folgte der Besuch bei SVV (Shenzhen Valley Ventures), einem Inkubator für IoT und Hardware. Unter einem Dach sind über 40 Start-Ups damit beschäftigt, neue Devices und Hardware-Lösungen für die Probleme der Welt zu finden.

Bojen-Systeme für die bessere Tsunami-Vorhersage

So werden dort zum Beispiel Bojen-Systeme für die bessere Tsunami-Vorhersage oder multi-mediale Entspannungsbrillen entwickelt. Unter einem Dach zusammen mit 80 Ingenieuren können Start-Ups extrem schnell neue Produkte entwickeln, um anschließend den Weltmarkt mit den Neu-Entwicklungen zu fluten.

 

Viral Access

Dem Hardware-Aspekt folgte am ersten Tag der Blick in die Welt der Influencer (die in Asien Key Opinion Leader – KOL heißen). Die Firma Viral Access ist eine Marketing-Agentur, die sich mit dem Auffinden und der Steuerung von KOLs spezialisiert hat.

 

Viral Access Influencer Marketing

Gegründet von drei Schweden wurden hier anfangs westliche Produkte erfolgreich mittels Influencer-Marketing im chinesischen Markt eingeführt und verkauft. Mittlerweile arbeitet Viral Access aber auch für asiatische und chinesische Kunden. Für diese Kunden werden mittels datengestützter Bearbeitung der Mikro-Influencer Marken aufgebaut und der Absatz massiv und nachweislich gesteigert.

 

Meinert Jacobsen Viral Access

 

2. Tag: Qianhai – SenseTime – HUAWEI

Qianhai Special Economic ZoneTag zwei der Innovation-Tour begann mit dem Besuch des Informationszentrums der „Qianhai Special Economic Zone“. Diese Zone besteht aus drei teilweise künstlich erzeugten Landzungen im Westen von Shenzhen. Hier wird die Stadt der Zukunft mit der vollständigen Infrastruktur für das Wohnen, Leben und Arbeiten vom Reißbrett aus geplant und umgesetzt. Qianhai soll so ein modernes, wirtschaftliches Umfeld schaffen, das junge Talente in die Region bringt. Der Anreiz für Unternehmen besteht in einem sehr geringen Steuersatz. Neubürger dürfen das erste Halbjahr kostenfrei in den modernen weitläufigen Wohnanlagen wohnen.

Qianhai Shenzhen Hong Kong Youth Innovation and Entrepreneur HubIn der Nähe des Informationszentrums präsentiert sich der „Qianhai Shenzhen Hong Kong Youth Innovation and Entrepreneur Hub“. Hier können Jungunternehmer, insbesondere jene aus Hongkong, in einer perfekten Infrastruktur ihr Unternehmen aufbauen.

Teil dieses Hubs ist auch der Show-Room von SenseTime; die Zentrale von SenseTime hatte der DDV schon 2018 in der damaligen innovation-Tour in Beijing besucht. SenseTime ist ein führendes KI-Unternehmen und war das erste KI-Unicorn der Welt. Aktuell wird SenseTime mit über 7,5 Milliarden US-Dollar an der Börse bewertet. SenseTime ist ein Anbieter von KI-Anwendungen für intelligente Städte, Smartphones, mobiles Internet, Online-Unterhaltung, Autos, Finanzen, Einzelhandel, Bildung und Immobilien. SenseTime entwickelt Anwendungen für die Erkennung von Echtzeit-Livebildern von Millionen von Kameras. Diese werden erfolgreich in China eingesetzt und sind Basis für das Social Scoring. Darüber hinaus hat SenseTime derzeit die besten Verfahren zur Bilderkennung und -verarbeitung. Anschließend ging es in den HUAWEI Flagship Store.

SenseTime

Dieser 1300 qm große Store auf drei Ebenen wurde Ende September 2019 eröffnet und war der erste seiner Art von HUAWEI. In dem Gebäude ist die äußerst schnelle 5G-Netz Infrastruktur verarbeitet und erste Geräte und Anwendungen konnten ausprobiert werden.

 

 

JU&KEEs ging danach zu einem Besuch bei JU&KE. Das Designstudio 2016 wurde von Julien Gueuning und Christophe Branchu (Forbes 30 under 30 China) gegründet. JU&KE bietet Design-Dienstleistungen zur Steigerung des Markenerfolgs an. Einerseits unterstützt JU&KE chinesische Unternehmen bei der weltweiten Expansion von der ersten Visualisierung bis zum fertigen Industriedesign, andererseits werden internationale Marken bei der erfolgreichen Markteinführung in China unterstützt. In weniger als zwei Jahren hat das JU&KE Studio für kreatives Design internationale Anerkennung durch Design- und Innovationspreise in den USA, Europa und China erlangt.

 

5G-Netz InfrastrukturDer zweite Tag wurde mit dem Besuch des HQB ElectronicsMarket abgeschlossen. Dies ist eine vielbelebte Straße in Shenzhen. In dieser Straße werden alle weltweit verfügbaren elektronischen Komponenten angeboten, man sagt auch „Was es nicht im HQB gibt, das gibt es nicht auf der Welt“. Das HQB ist auch die Wiege von tencent (WeChat), HUAWEI und Foxconn (Hersteller u.a. von Apple-Produkten). Durch die Gänge der thematisch ausgerichteten Warenhäuser zu gehen war sehr beeindruckend.

HQB Electronics Market HQB Electronics Market

HQB Electronics Market

 

3. Tag: Zhuiyi Technology – Gridsum

Zhuiyi TechnologyDer dritte Tag begann in Shenzhen mit dem Besuch bei Zhuiyi Technology. Diese sind spezialisiert auf Anwendungen von künstlicher Intelligenz basierend auf Neurolinguistischer Programmierung (NLP) und Spracherkennung.

 

 

Zhuiyi Technology

Die Mission von Zhuiyi Technology ist, Werte für Unternehmen und Verbraucher durch den Einsatz fortschrittlichster KI-Lösungen, Produkte und Dienstleistungen zu schaffen, um damit die Zukunft der Menschen zu verbessern. Mit leistungsstarken KI-Fähigkeiten und einer intelligenten Serviceplattform für Deep Learning kann Zhuiyi Technology Unternehmen helfen, ihre Effizienz zu steigern. Die Kunden stammen aus den Branchen Fintech, Internet, Einzelhandel, Immobilien, Energie, etc.

 

Gridsum

Es folgte der Besuch bei Gridsum, das 2005 gegründet worden ist. Gridsum (verteiltes Rechnen = Grid, Analytik = Sum) ist führender Anbieter von Unternehmens-, Großdaten- und KI-Lösungen. Basis ist eine Big Data-Plattform auf verteilten Computing-Frameworks, auf der in Echtzeit mehrdimensionale Analysen von strukturierten und unstrukturierten Informationen durchgeführt werden. Dadurch können schnell und effizient neue Erkenntnisse gewonnen werden, die zu besseren Geschäftsentscheidungen führen.

Gridsum

DJI

Zum Abschluss des dritten Tages ging es zu DJI, dem weltweit
führenden Drohnenhersteller, der einen Flagship-Store in Shenzhen unterhält. Hier werden Drohnen jeder Größe vorgestellt und wir konnten die Einsatzmöglichkeiten bestaunen. Innerhalb von etwas mehr als 10 Jahren hat sich das Unternehmen von einem kleinen Büro zu einem globalen Unternehmen mit mehr als 6.000 Mitarbeitern entwickelt. DJI ist eine Vorzeigefirma für den Anspruch der Chinesen, nicht nur Produktionsstätte zu sein, sondern auch Entwickler, Innovator und Marke zu werden. Dabei konzentriert sich DJI auf seine eigene Vision und unterstützt kreative, kommerzielle und gemeinnützige Anwendungen seiner Technologie.

Die Produkte von DJI werden DJImittlerweile in vielen Industrien eingesetzt wie zum Beispiel in Filmindustrie, Landwirtschaft, Naturschutz oder von Such- und Rettungsdiensten. 2017 hat DJI den schwedischen Kamerahersteller Hasselblad übernommen, um die dort entwickelten Bildverarbeitungsprozesse mit der Drohnentechnik zu verbinden.

 

4. Tag: Guangzhou – Kuaizi – mobivista

Guangzhou

Der vierte Tag führte uns nach Guangzhou, das 100 km nord- westlich von Shenzhen den Perlfluss aufwärts liegt. Seit der Seidenstraße ist Guangzhou ein wichtiger Austauschpunkt, deshalb findet dort auch die „China Im- port and Export Fair“, Chinas größte Import- und Exportwarenmesse, statt.

 

Kuaizi

Erster Stopp in Guangzhou war die AI- und Martech-Firma Kuaizi. Der Gründer Winder Chen stellte persönlich die KI-basierte Content-Marketing-Plattform vor.

Diese hat die Werbeausspielung für Vermarkter auf digitalen Plattformen in China revolutioniert. Mit Hilfe von maschinellem Lernen werden programmatische Werbemöglichkeiten zielgruppenspezifisch in Echtzeit optimiert. Seit 2017 nutzt Facebook die Technologie von Kuaizi für seine Creative Platform. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurden neue Funktionen zum verbesserten Engagement Tracking und dynamischen Ad Management erstellt.

mobvistaDer zweite Termin in Guangzhou war beim 2012 gegründeten mobvista. Dort stellte der CFO Sean Song das größte Mobile-Ad-Tech-Unternehmen vor. Mobvista unterstützt mehr als 2.000 Marken dabei, Konsumenten kostenoptimal auf der ganzen Welt zu erreichen. Basis sind die mehr als 10Milliarden täglichen Page Impressions und die Kombination mit ca. zwei Milliarden Geräten in der Nutzerdatenbank.

mobvista

Abschließend konnten wir mit Maximilian Butek, dem Verantwortlichen bei der AHK (Auslands-Handels-Kammer) Greater China die gemachten Erfahrungen in Shenzhen und Guangzhou diskutieren und relativieren. Die AHK unterstützt deutsche Unternehmen in den chinesischen Markt einzutreten und hilft chinesischen Unternehmen in den deutschen Markt einzusteigen.

 

AHK Auslands-Handels-Kammer

Das Bild, welches wir währen unserer Reisetage bekommen haben, ist sicher nicht repräsentativ für Ganz-China, sondern das Idealbild, zu dem sich die chinesische Gesellschaft entwickeln möchte.

AHK Auslands-Handels-Kammer

 

5. Tag: HEMA – Bullet Train – Hongkong

HEMA-SupermarktsDer fünfte und letzte Tag begann nach dem Hotel-Check-Out mit dem Besuch eines HEMA-Supermarkts. Dieses Marktkonzept, das als Start-Up von Alibaba übernommen wurde, versucht die Vorteile eines Supermarkts mit den Möglichkeiten der Direkt-Belieferung zu verbinden. Man kann alle Artikel via Smartphone einscannen, erhält ergänzende Produktempfehlungen und beim Betreten des Geschäfts auf Basis der individuellen Kaufhistorie Vorschläge. Den Einkauf schließt man am Checkout-Terminal ab, bezahlt wird per Gesichtserkennung und Alipay-App.

HEMA-Supermarkts

Umgrenzende Bewohner binnen drei Kilometern können online bestellen und werden in maximal 30 Minuten aus dem Markt heraus beliefert.
Nach diesem letzten Highlight ging es via „Bullet Train“ in 15 Minuten Fahrtzeit unter dem Fluss hindurch nach Hong Kong, dem bedeutenden Wirtschafts- und Finanzzentrum Asiens. Obwohl zu China gehörig (seit 1997 gilt das Prinzip „One Country, Two Systems“) gibt es eine Grenze mit Pass-Visa und Gesundheitskontrolle zwischen dem chinesischen Festland und Hongkong. Hong Kong verbindet das chinesische Festland mit dem globalen Markt und dient auch als Plattform für grenzüberschreitende Technologie- und Innovationskooperationen. Viele Start-ups im Bereich Blockchain und FinTech sind hier ansässig.

HEMA-Supermarkts

Der Kontrast zwischen Shenzhen und Hongkong war gefühlt wie der zwischen erster und dritter Welt. In Shenzhen ist alles neu und sauber, es gibt elektrische Taxis und Busse, neue Häuser und weite Grünflächen. In Hongkong finden sich die verbaute Struktur 100-jähriger Hochhäuser, Lärm, veraltete Toyota-Gas-Taxis, deren Kofferräume zu klein für 2 Koffer sind, und lärmende Doppeldeckerbusse, von Grün ist im ersten Augenblick wenig zu sehen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase konnten wir die Erfahrungen und Erlebnisse in der Reisegruppe in einem Debriefing bei WeWork Revue passieren lassen und gewichten.

 

Resumee

Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Chinesen den Weg in Zukunft sehr konsequent verfolgen und eher Produkte gemäß dem Motto „done is better than perfect“ in den Markt bringen. Weitere Versionen eines Produkts sind dazu da, besser zu werden. Die Plattform-ökonomie der Chinesen resultiert sicher von der digitalen Abschottung des Landes, doch die jetzt rasant wachsende Landschaft der Anbieter von KI nutzt das Wissen, um nun auch außerhalb des chinesischen Marktes Optimierungen anzubieten (sei es Facebook, Instagram, YouTube oder andere Plattformen). Das Thema KOL-(Influencer-)Marketing wird datengetrieben sehr effizient und erfolgreich eingesetzt, hier sind insbesondere Mikro- und Nano-Influencer im Focus der Agenturen. China versucht, eigene Marken aufzubauen und hat dies in vielen Feldern schon geschafft (siehe Marktführerschaft bei Drohnen, DJI oder auch die Vormachtstellung bei 5G von HUAWEI). Die „Werkbank-der-Welt“ will „Entwickler-der-Welt“ werden und ist heute schon einen halben Schritt weiter in der Zukunft als der Rest der Welt. Damit wird der Ausdruck „Made in China“ eine ähnliche Veränderung erfahren wie der einstmals stigmatisierende Ausdruck „Made in Germany“, der einst kreiert wurde, um in England deutsche Waren zu stigmatisieren.

Shenzhen

P.S.: Wie weit die Digitalisierung in China schon ist, kann man daran sehen, dass selbst Bettler einen Bar-Code angeben, um Geld zu bekommen.

 

 

 

 

 

 

 

Fotos:

© Meinert Jacobsen

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